Leo Haas
Leo Haas (* 15. April 1901 in Troppau, Österreich-Ungarn; † 13. August 1983 in Berlin) war ein jüdischer Grafiker und Karikaturist.
Inhaltsverzeichnis
Leben
Leo Haas wurde im österreichisch-ungarischen Troppau in einer bürgerlichen jüdischen Familie geboren und wuchs in einer dreisprachigen Umgebung auf: — deutsch, tschechisch und ungarisch —. In der Stadt Troppau im Österreichisch-Schlesien, später wieder Opava, lebten damals knapp 30 000 Einwohnern. Er machte in Troppau Abitur und studierte danach zwei Jahre lang Malerei an der Kunstakademie in Karlsruhe.
Nach Aufenthalten in Berlin und Südfrankreich arbeitete er 2 Jahre in Wien und ging danach als Maler und Grafiker in seiner Heimatstadt Opava zurück. Er war Mitglied sowohl der tschechischen als auch des deutschen Künstlerverbandes. Nachdem er bereits in Wien auch für die Presse gezeichnet hatte, setzte er dies in seiner Heimatstadt verstärkt fort.
Zeit des Faschismus
Das Münchener Abkommen vom 30. September 1938 beendete abrupt die 12 Schaffensjahre in Opava. Die Faschisten zerstörten sein Atelier und er konnte in das zuerst noch unbesetzte Ostrava entkommen.
Juden-KZ Nisko
1939 wurde er in das berüchtigte „Juden-KZ" Nisko gebracht. Dort erprobte u.a. Adolf Eichmann an 5.000 Juden schon im Oktober 1939 Methoden, die dann später zur "Endlösung der Judenfrage" führten. Im April 1940 wurde das Lager aufgelöst und wenige Wochen später das KZ Auschwitz eröffnet.
Leo Haas gehörte zu den 500 Insassen, die dann später in ihre Heimatstädte zurückgebracht wurden. 1942 wurde er wegen aktiver Widerstandsarbeit von der Gestapo nach Theresienstadt deportiert.
Die Maler von Theresienstadt
Leo Haas kam am 1.Oktober im Ghetto Theresienstadt an, ab dem 17. November arbeitete er in der Technischen Abteilung als Zeichner. Der Leiter des Zeichenbüros war Bedrich Fritta aus Prag. Weitere Künstler im Zeichenbüro waren unter anderen Charlotte Buresova, Dinah Gottliebová (die später für Mengele in Auschwitz Zigeunerkinder und -frauen porträtieren musste), Ferdinand Bloch, Otto Ungar, der Arzt, Schriftsteller und Maler Dr. Karel Fleischmann aus Brno, Frantisek Lukas, der Dichter und Maler Petr Kien. Zusammen mit anderen bildeten sie, zwangsweise von den Nazis zusammengeführt, eine solidarische Künstlergemeinschaft. Neben anderen Zeichnungen wurden viele Hundert Zeichnungen vom "wahren Leben" im KZ heimlich angefertigt und versteckt. Die Entdeckung dieser Zeichnungen durch die SS wurde später als die "Affäre der Maler von Theresienstadt" bekannt.
Dort in Theresienstadt hat Haas Hunderte von Zeichnungen angefertigt und eingemauert. Er schrieb später: „Das Bewusstsein, einmal Zeugenschaft ablegen zu müssen, hatte mir geholfen, die Hölle zu überleben." Am 17. Juli 1944 wurde er wegen „Greuelpropaganda“ von der Gestapo verhaftet und in der Kleinen Festung eingekerkert. Bei einem Verhör im Zimmer des Kommandanten Karl Rahm war neben anderen SS-Offizieren auch Adolf Eichmann anwesend, der das Verhör zu den entdeckten Zeichnungen eröffnete und er "tat so, als wäre er in tiefster Seele betroffen von den verleumderischen Beschuldigungen, die man seinen, die Juden betreffenden „Edlen Ideen“ hatte angedeihen lassen."
Leo Haas war der einzige der Maler von Thersienstadt, der überlebte.
Auschwitz
Leo Haas kam am 28. Oktober 1944 nach Auschwitz, er wurde Häftling Nr. 199 885. In seiner Biographie heißt dieses Kapitel "In der Hölle". Auch in Auschwitz fertigte er Zeichnungen an. Am 25. November 1944 wurde Leo Haas zusammen mit 6 anderen Spezialisten "zu einer wichtigen Aufgabe ins Reich (ge)fahren".
Fälscher im Block 18/19
Am 27. November 1947 kamen die Häftlinge im KZ Sachsenhausen an. Sie kamen in ein Sonderkommando, das mit einem speziellen Käfig innerhalb von Sachsenhausen abgeschirmt war, zu dem nicht einmal der KZ-Kommandant Zutritt hatte. In der „Fälscherwerkstatt" der "Aktion Bernhard" mussten Häftlinge unter dem Kommando des SS-Hauptsturmführers Bernhard Krüger Geldnoten und Dokumente fälschen.
Peter Edel beschrieb später eine besondere Situation: "Wir waren indes kaum noch zu verblüffen, hatten ja Absurditäten unterschiedlichster Art zu Gesicht bekommen, diese aber ... Das konnte einfach nicht wahr sein: diese Perversion im Format einer Briefmarke - Es war auch eine, sollte wenigstens eine sein und als solche benutzt werden." Leo Haas war von SS-Hauptsturmführer Bernhard Krüger beauftragt worden, Britische Briefmarken durch antisemitisch gefärbte Karikaturen im Stile von Julius Streichers Stürmer zu "verzieren". Schlimmere Entwürfe konnte die Künstler mit viel Einsatz verhindern.
Gegen Kriegsende wurden die Häftlinge des Fälscherkommandos zusammen mit den Maschinen nach Mauthausen und später ins Nebenlager Ebensee gebracht.
Am 6. Mai 1945 wurde Leo Haas im Lager Ebensee zusammen mit den anderen Häftlingen der "Aktion Bernhard" befreit. Er sprach von seiner „zweiten Geburt".
Nachkriegszeit
Seine Frau Erna Haas überlebte ebenfalls Theresienstadt, Auschwitz und andere KZ. Das Ehepaar Haas adoptiert nach dem Krieg Tomáš Fritta, dessen Familie sie aus Theresienstadt kannten und den Erna Haas schon im Frauenhof der Kleinen Festung dort betreut hatte. Tomáš hatte beide Eltern verloren.
Familie Haas lebte nach dem Krieg in der CSSR, 1955 siedelte Leo Haas nach dem Tod seiner Frau nach Berlin um. Sein weiteres Leben stand im Zeichen unablässiger Anklage gegen Faschismus und Krieg, unermüdlichen Wirkens für eine andere, eine bessere Gesellschaft. Er abeitete in Prag für das KP-Zentralorgan „Rude Pravo" und satirische Zeitschriften, in Berlin entstanden Zeichnungen für den „Eulenspiegel", für das „Neues Deutschland", für die „Wochenpost" und er trat als Zeichner im Fernsehen auf.
Mit dem Film-Studio "Heynowski und Scheumann" schrieb er für die Filme „Aktion J" und „Mord in Lwow". Der Film „Aktion J" dokumentierte am Beispiel Globke die faschistische Judenverfolgung und der Fim „Mord in Lwow" behandelt die Taten der Wehrmachtseinheit „Nachtigall” unter dem späteren Minister Oberländer.
Ehrenbürger
Seine Vaterstadt Opava ernannte ihn 1981 zum Ehrenbürger.
Literatur
- Wolf H. Wagner:Der Hölle entronnen : Stationen eines Lebens; eine Biographie des Malers und Graphikers Leo Haas, Henschel-Verlag, Berlin 1987, 272 S. : zahlr. Ill. , ISBN 3-362-00147-5 DNB
- Horst Jäkel (Hrsg.):DDR – Realität und Hoffnung : Erlebnisse, Betrachtungen, Erkenntnisse, Dokumente, GNN-Verlag, Schkeuditz 2010, Seite 259-265, ISBN 978-3-89819-343-6 DNB
- KZ-Transit Theresienstadt : Bilder und Dokumente aus Ghettos und Lagern, Jüdisches Museum Rendsburg. [Hrsg. vom Rendsburger Kulturkreis in Zusammenarbeit mit dem Schleswig-Holsteinischen Landesmuseum]. Vorgestellt und kommentiert von Arie Goral-Sternheim. Mit einem Beitr. von Frauke Dettmer und mit Texten von H. G. Adler und Leo Haas, Ausstellungskatalog , 1991 DNB
- Adolf Burger: Des Teufels Werkstatt : die größte Geldfälscheraktion der Weltgeschichte, [Zeichn. aus der Fälscherwerkstatt des Konzentrationslagers Sachsenhausen von Peter Edel und Leo Haas], Verlag Neues Leben, Berlin 1997, ISBN 3-555-01486-9 (falsch), DNB
- Margita Schwalbová, Elisabeth Prégardier, Anne Mohr: Elf Frauen : Leben in Wahrheit ; eine Ärztin berichtet aus Auschwitz-Birkenau 1942 - 1945, Abb.: Leo Haas , Plöger-Verlag, Anweiler, Essen 1994, ISBN 3-924574-84-7 DNB
- Gerda Zorn, Gertrud Meyer: Frauen gegen Hitler : Berichte aus dem Widerstand . (Mit einem Vorwort von Renate Riemeck und einem Nachwort von Max Oppermann, Zeichn. von Leo Haas)
- Dorothea Stanić (herausg.): Kinder im KZ : ... und draussen blühen Blumen ; mit Kinderzeichnungen aus Theresienstadt, Zeichnungen der Theresienstädter Maler Leo Haas und Fritz Fritta, Fotos u. Dokumenten , Verlag Elefanten-Press, Berlin (West) 1982, ISBN 3-88520-021-X , DNB
- Rudolf Iltis: Výstava kreseb Leo Haase z Terezinského Ghetta, Květen - záři 1969, Verlag Památnik, Terezin 1969, Text in deutscher, englischer und russischer Sprache DNB
Werke
- Bodo Schulenburg: Es war einmal ein Drache ... : eine Weihnachtsgeschichte, Illustration von Leo Haas, Verlag Junge Welt, Berlin 1983 DNB
- Leo Haas: Terezín/Theresienstadt, Eulenspiegel-Verlag, Berlin 1971, DNB
- Jenő J. Tersánszky: Nichts als Ärger, [Aus d. Ungar. v. Álmos Csongár ], Zeichngn: Leo Haas, Verlag der Nation, Berlin 1959 DNB
- Leo Haas: Links überholt: Zeichnungen, Eulenspiegel-Verlag, Berlin 1961 DNB
- Peter Duhr: Inferno / [Mit 8 farb. Ill. von Leo Haas], Verlag Rütten & Loening , Berlin 1961 DNB
Weblinks
- Wikipedia: Leo Haas
- Leo Haas auf www.ghetto-theresienstadt.info, u.a. berichtete er dort von der Rettung seiner und anderer Theresienstadt-Zeichnungen und von der Entdeckung der "Grafiker" durch die Gestapo im Juli 1944.
- Tomáš Fritta im Ghetto Theresienstadt
- »Mit dem Zeichenstift gegen das Vergessen« Die Holocaust-Künstler Fritz Lederer (1878–1949) und Leo Haas (1901–1983) 'Museum bei der Kaiserpfalz' Ingelheim am Rhein, Ausstellung vom 3. September 2009 bis 28. März 2010