Kurt Langendorf: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 21. März 2017, 17:31 Uhr
Kurt Langendorf (* 11. September 1920 in Lörrach; † 2. Juli 2011 in Berlin) war ein deutscher kommunistischer Widerstandskämpfer aus Mannheim.
Leben
Kurt wurde am 11. September 1920 in Lörrach als Sohn von Rudolf Langendorf und Antonie Langendorf geboren. Den Vornamen gaben ihm seine Eltern zu Ehren des 1919 ermordeten Anführers der Münchener Räterepublik Kurt Eisner. Beide Eltern gehörten zu den Mitbegründern der KPD im Badischen. Kurt und sein Bruder Hans kamen so sehr früh in Kontakt mit der politischen Arbeit der Eltern. Die vielen Begegnungen, Gespräche und auch Auseinandersetzungen, die er mit Menschen sehr unterschiedlicher politischer Positionen dabei erlebte, prägten den Jungen frühzeitig. Er war zwölf Jahre alt, als die Machtübergabe an die Faschisten erfolgte. Seine Eltern wurden sofort in „Schutzhaft“ genommen, die Mutter für anderthalb Jahre ins Gefängnis, der Vater für zwei Jahre in Konzentrationslager gesteckt. Als sie zurückkamen, gingen sie sofort daran, wieder Verbindungen zu anderen Antifaschisten zu knüpfen.
Kurts Neigungen galten den Naturwissenschaften und der Technik, besonders dem Radio, dem Funk sowie dem Flugwesen. Er hatte Glück; er war intelligent und wurde gefördert, durfte sogar sein Abitur ablegen. Er sollte politisch „umgedreht“ werden, wie er später erfuhr. Das misslang gründlich. Auch wenn in seinem von der Gestapo angelegten Dossier schon stand, er sei „ein moskauhöriger Hund“, wussten die Nazis doch nicht, dass er nicht nur die Radios gebaut hatte, mit denen die illegale Gruppe Londoner und Moskauer Rundfunk abhörte, sondern dass er auch viele aktive Kurierdienste zwischen den Genossen übernahm, Nachrichten in die Schweiz überbrachte und eine Art Doppelleben führte. Eine schwierige Situation für einen Heranwachsenden.
Seine berufliche Entwicklung begann zunächst mit einer Schlosserlehre. 1940 wurde er zur Wehrmacht einberufen. Für ihn bestand die Möglichkeit, in die Schweiz zu gehen, wo Verwandte wohnten. Doch Genossen rieten ihm, sich militärische Kenntnisse anzueignen und die politische Arbeit gegen Faschismus und Krieg unter den Soldaten fortzusetzen.
Nachdem sein Vater am 15. September 1942 hingerichtet und seine Mutter ins KZ Ravensbrück transportiert worden waren – die Gruppe war durch Verrat aufgeflogen –, wurde Kurt als „politisch Unzuverlässiger“ in die Strafkompanie versetzt.
Während der Offensive der Sowjetarmee im Juli 1943 im Kursker Bogen wollte er zur Roten Armee überlaufen. Bei diesem Versuch wurde er von einem deutschen Offizier niedergeschossen (erst 1990 fand Kurt heraus, dass er seit dieser Zeit in den Wehrmachtslisten als tot geführt wurde). Die Front ging an diesem Tage mehrmals hin und her.
Kurt wurde schließlich schwer verwundet und bewusstlos von nochmals vorstoßenden Soldaten eines Wehrmachtstruppenteiles gefunden und zum Verbandsplatz gebracht. Der ihn operierende Arzt legte ihm nahe, die entfernte Kugel nicht aufzuheben, da sie aus einem deutschen Revolver stammte.
Nach der Genesung bei einer Einheit in Landsberg stationiert, wurde er kurz vor dem 20. Juli 1944 als Melder nach Berlin in den Bendlerblock befohlen, um bei Stauffenberg Einsatzunterlagen abzuholen.
Kurt gelang es, sich den nach dem Scheitern des Attentats auf Hitler einsetzenden Verfolgungen zu entziehen. Auf einem Unteroffizierslehrgang brachte er einen Hauptmann aus höchstem deutschen Adel dazu zu sagen, dass der Zweite Weltkrieg gewonnen werden wird, weil Goebbels der größte Lügner ist. Die zwei sahen sich zum Ende 1944 als Angeklagte vor dem Obersten Kriegsgericht wieder. Mit Hilfe des cleveren Anwalts des Adligen redeten sie sich heraus. Kurt wurde zu fünf Jahren verurteilt, abzuleisten in der Strafkompanie. Mit den einsetzenden Auflösungserscheinungen an den Fronten konnte er schließlich eine unübersichtliche Situation nutzen und einen fingierten Befehl durchgeben: „Bataillon ergibt sich.“ Er geriet in amerikanische Kriegsgefangenschaft, die er zwei Monate im berüchtigten Lager von Bad Kreuznach durchlitt.
Mit 25 Jahren begann sein Leben neu. Der Bruder Hans war beim Versuch überzulaufen erschossen worden, doch die Mutter hatte Ravensbrück überlebt. Gemeinsam mit ihr stürzte er sich in die politische Arbeit. In Karlsruhe wurde seine Bewerbung zum Ingenieurstudium abgelehnt. Ehemalige Buchenwaldhäftlinge rieten ihm, in Jena Physik zu studieren. Diese Gelegenheit nahm er gern an, wechselte dann aber zum Studium der Wirtschaftswissenschaften, das er 1951 abschloss.
Anschließend war er an der Universität Jena als Dozent für politische Ökonomie und als Institutsdirektor tätig, bis er im Jahre 1954 zu einem zweijährigen Forschungsaufenthalt in die VR China fuhr. Über seine Erfahrungen dort schrieb er seine Dissertation, die er 1959 erfolgreich verteidigte. Danach arbeitete er als Wissenschaftler und Hochschullehrer am Institut für Gesellschaftswissenschaften, an der Humboldt-Universität zu Berlin und an der Hochschule der Gewerkschaften des FDGB. 1964 wurde er zum Professor mit Lehrauftrag und 1968 zum Ordentlichen Professor berufen.
1985 beendete Kurt Langendorf seine berufliche Tätigkeit. Danach engagierte er sich im Kreiskomitee der antifaschistischen Widerstandskämpfer der DDR in Berlin-Weißensee. 1990 gehörte er zu den Gründern des Bundes der Antifaschisten, dann zum Vorstand der Berliner Vereinigung ehemaliger Teilnehmer am antifaschistischen Widerstand, Verfolgter des Naziregimes und Hinterbliebener (B. V. VdN). In vielen Zeitzeugengesprächen mit Jugendlichen, die er vor allem in den 1990er-Jahren führte, war es ihm neben der aktuell-politischen Auseinandersetzung um Rassismus, Antisemitismus und Ausländerfeindlichkeit immer ein wichtiges Anliegen, die Ursachen und Hintergründe des Faschismus zu beleuchten. Nach dem Tod von Fred Löwenberg 2004 übernahm er den Vorsitz der B. V. VdN und stellte die Weichen für die Verschmelzung mit der VVN-BdA Landesverband Berlin. 2005 wurde er zusammen mit Hans Coppi zum Vorsitzenden der neu entstandenen Berliner VVN-BdA gewählt. 2009 wurde er Ehrenvorsitzender.