Ilse Stöbe: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 21. März 2017, 17:31 Uhr

Ilse Frieda Gertrud Stöbe (* 17. Mai 1911 in Berlin; † 22. Dezember 1942 in Berlin-Plötzensee) war eine deutsche Journalistin und Widerstandskämpferin in der Zeit des Nationalsozialismus.

Leben

Stöbe wuchs in einem Arbeiterhaushalt in Berlin-Lichtenberg als Tochter des früh verstorbenen Tischlers Max Stöbe und dessen Ehefrau Frieda, geborene Schumann, verwitwete Müller, auf. Nach dem Abschluss der Volksschule besuchte sie eine Handelsschule und erlernte die Tätigkeit einer Stenotypistin. Sie war zunächst im Verlagshaus von Rudolf Mosse beschäftigt und danach als Sekretärin des Journalisten Theodor Wolff beim Berliner Tageblatt. Hier lernte sie Rudolf Herrnstadt kennen, mit dem sie sich später verlobte[1]. Stöbe gehörte ab 1929 der KPD an.[2] Ab 1931 war Stöbe ebenso wie Hernnstadt für den sowjetischen Militär-Nachrichtendienst GRU tätig.[3]

Gemeinsam mit Herrnstadt zog sie im Februar 1933 nach Warschau, wo sie als Auslandskorrespondentin der Neuen Zürcher Zeitung tätig war.[3] Stöbe wurde Mitglied der NSDAP und hatte bereits vor 1933 ihre Mitgliedschaft in der KPD wegen ihrer beruflichen Tätigkeit nur verdeckt wahrgenommen. Mitte 1934 wurde sie zur Kulturreferentin der NSDAP-Auslandsorganisation in Polen ernannt.[4] Es gab um 1934 eine nachrichtendienstliche Gruppe um Hernnstadt und Stöbe, zu der Lothar Bolz, Helmut Kindler, Gerhard Kegel und dessen Ehefrau Charlotte Vogt gehört haben.[5]

Kurz vor dem Beginn des Zweiten Weltkriegs kehrte sie nach Berlin zurück und wurde in der Informationsabteilung des Auswärtigen Amtes beschäftigt. Über ihren Bruder Kurt bekam auch Ilse Stöbe nach ihrer Rückkehr nach Berlin schnell wieder Kontakt zu politisch Gleichgesinnten und beteiligte sich am Kampf gegen das NS-Regime.[6] Zu ihrem Jugendfreund Helmut Kindler behielt sie beständigen Kontakt und bezog diesen in ihre Widerstandstätigkeit mit ein. Bereits während der Olympischen Sommerspiele 1936 in Berlin hatte Ilse Stöbe den schweizerischen Verleger Rudolf Huber kennengelernt, der ihr testamentarisch einen Großteil seines Vermögens hinterließ, als er 1940 starb. Darunter befand sich auch ein Ferienhaus in der Schweiz.[1] Im Herbst 1939 lernte sie Carl Helfrich kennen, mit dem sie bis zur Verhaftung zusammenlebte.[7] Gemeinsam hatten sie eine Wohnung in der Ahornallee 48 in Berlin-Westend.[8]

Die sowjetischen Führung ignorierte Stöbes Warnungen über den geplanten Beginn des Deutsch-Sowjetischen Krieges.[9] Nach der Rückkehr Gerhard Kegels zusammen mit dem deutschen Botschaftspersonal aus der Sowjetunion im Juli 1941 erhielt Stöbe wieder Unterstützung. Als Funker stand ihr Kurt Schulze zur Verfügung.

Wegen Spionage für die Sowjetunion und Zugehörigkeit zur Roten Kapelle wurde sie am 12. September 1942 von der Gestapo verhaftet. Einem angeblichen[10] Gestapo-Bericht vom November 1942 zufolge soll sie in einem Funkspruch aus der Sowjetunion genannt worden sein und als Fallschirmspringer nach Deutschland gekommene Widerstandskämpfer sollen ihre Adresse bei sich getragen haben.[11] Der Autor Ulrich Sahm spekulierte deshalb, dass Stöbe unter Folter gezwungen worden sei, die konspirativen Verbindungen zum sowjetischen Geheimdienst und zu Personen wie Rudolf von Scheliha zu bestätigen, allerdings gibt es in den Gestapo-Akten dafür keinerlei Bestätigung.

In Stöbes Wohnung im Berliner Westend wartete nach ihrer Verhaftung eine Gestapo-Beamtin auf Besucher. Am 29. Oktober 1942 wurde Heinrich Koenen in dieser Wohnung verhaftet. Er hatte unter anderem eine Mikroverfilmung bei sich mit dem Nachweis einer Überweisung von 1937 auf ein Schweizer Bankkonto Schelihas. Dieser wurde daraufhin am 29. Oktober 1942 ebenfalls verhaftet. Beide wurden am 14. Dezember 1942 vom Reichskriegsgericht wegen Landesverrats zum Tod verurteilt. „Die Gestapo gab diesem Kreis später den Namen Gruppe Alta“.[12]

Die Mutter Stöbes wurde ebenfalls verhaftet und ins KZ Ravensbrück deportiert, wo sie „1943 umgekommen“ ist.[9] Stöbes Bruder Kurt Müller konnte sich zunächst der Verhaftung entziehen und seine Widerstandstätigkeit mit der Widerstandsgruppe Europäische Union fortsetzen. Er wurde im September 1943 verhaftet und später hingerichtet.

Ehrungen

  • 1969 wurde Ilse Stöbe von der Sowjetunion posthum als „Kundschafterin“ mit dem Rotbannerorden ausgezeichnet.
  • In den 1970er Jahren trug eine kommunale Berufsschule in der Rummelsburger Marktstraße in Berlin den Ehrennamen Ilse Stöbe.
  • 2006 wurde der Widerstandskampf von Ilse Stöbe mit ihrem Decknamen Alto durch den russischen Botschafter in Belgien gewürdigt.[15]

Literatur

  • Gerhard Kegel: In den Stürmen unseres Jahrhunderts. Ein deutscher Kommunist über sein ungewöhnliches Leben. Dietz, Berlin 1984, ISBN 3-320-00609-6 DNB
  • Luise Kraushaar et al.: Deutsche Widerstandskämpfer 1933–1945. Biografien und Briefe. Hrsg. vom Institut für Marxismus-Leninismus beim Zentralkomitee der SED Dietz-Verlag: Berlin 1970; Band 1 Seite 657ff.; Band 2 Seite 561f. DNB
  • Luise Kraushaar: Berliner Kommunisten im Kampf gegen den Faschismus 1936–1942. Robert Uhrig und Genossen. Dietz-Verlag: Berlin 1980 DNB
  • Irina Liebmann: Wäre es schön? Es wäre schön! Mein Vater Rudolf Herrnstadt. Berlin Verlag, Berlin 2008, ISBN 3-8270-0589-2 DNB
  • Helmut Kindler: Zum Abschied ein Fest: die Autobiographie eines deutschen Verlegers. Kindler, München 1991, ISBN 3-463-40131-2 DNB(vollständige Taschenbuchausgabe: Droemer Knaur, München 1992, ISBN 3-426-75042-2 DNB)
  • Helmut Müller-Enbergs: Der Fall Rudolf Herrnstadt. Tauwetterpolitik vor dem 17. Juni. LinksDruck, Berlin 1991. ISBN 3-86153-003-1, S. 30ff DNB
  • Ulrich Sahm: Ilse Stöbe. In: Hans Coppi, Jürgen Danyel, Johannes Tuchel (Hrsg.): Die Rote Kapelle im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Schriften der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin 1994, Seite 262–276 DNB
  • Elfriede Brüning: Gefährtinnen: Porträts vergessener Frauen. Dietz-Verlag, Berlin, 2010. ISBN 978-3-320-02242-6 DNB
  • Theodor Wolff: Die Schwimmerin. Ein Roman aus der Gegenwart. Zürich 1937 DNB

Einzelnachweise

  • [1] Ulrich Sahm: Ilse Stöbe. In: Hans Coppi, Jürgen Danyel, Johannes Tuchel (Hrsg.): Die Rote Kapelle im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Schriften der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin 1994, S. 262
  • [2] >Helmut Müller-Enbergs: Der Fall Rudolf Herrnstadt. Tauwetterpolitik vor dem 17. Juni. LinksDruck, Berlin 1991. ISBN 3-86153-003-1, S. 31
  • [3] Helmut Müller-Enbergs: Der Fall Rudolf Herrnstadt. Tauwetterpolitik vor dem 17. Juni. LinksDruck, Berlin 1991. ISBN 3-86153-003-1, S. 34
  • [4] Gert Rosiejka: Die Rote Kapelle. „Landesverrat“ als antifaschistischer Widerstand. Ergebnisse Verlag, Hamburg 1986, S. 50
  • [5] Helmut Müller-Enbergs: Der Fall Rudolf Herrnstadt. Tauwetterpolitik vor dem 17. Juni. LinksDruck: Berlin 1991, S. 32
  • [6] Elfriede Brüning: Kundschafterin für die Sowjetunion. Zum 75. Geburtstag der Kommunistin Ilse Stöbe. In: Berliner Zeitung vom 17./18. Mai 1986
  • [7] Ulrich Sahm: Ilse Stöbe. In: Hans Coppi, Jürgen Danyel, Johannes Tuchel (Hrsg.): Die Rote Kapelle im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Schriften der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin 1994, S. 263
  • [8] ebenda S.271
  • [9] Heinrich-Wilhelm Wörmann: Widerstand in Charlottenburg. Band 5 der SR der GDW, Berlin 1991 (2. verb. und erweiterte Auflage: Berlin 1998) Seite 133
  • [10] siehe Helmut Müller-Enbergs: Der Fall Rudolf Herrnstadt. Tauwetterpolitik vor dem 17. Juni. LinksDruck, Berlin 1991, S. 31, der darauf hinweist, dass es dazu keine zuverlässige Quelle gibt; desgl. bei Ulrich Sahm: Ilse Stöbe. In: Hans Coppi, Jürgen Danyel, Johannes Tuchel (Hrsg.): Die Rote Kapelle im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Schriften der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin 1994 und in den anderen Aufsätzen dieses Sammelbandes.
  • [11] Ulrich Sahm: Ilse Stöbe. In: Hans Coppi, Jürgen Danyel, Johannes Tuchel (Hrsg.): Die Rote Kapelle im Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Schriften der Gedenkstätte Deutscher Widerstand, Berlin 1994, S. 264
  • [12] Helmut Müller-Enbergs: Der Fall Rudolf Herrnstadt. Tauwetterpolitik vor dem 17. Juni. LinksDruck, Berlin 1991, S. 32


Quelle: * Wikipedia: Ilse Stöbe